1998, die US-amerikanische National Security Agency (NSA) belauscht innerbetriebliche Satelliten-Kommunikation des Nord-Westdeutschen Windenergieanlagenherstellers „Enercon“.
Im April 98 berichtete damals das ARD Magazin Plusminus über den Vorfall. Mit den Informationen aus der Abhöraktion ausgestattete Agenten verschaffen sich Zugang zu einer Windenergieanlage im friesischen Wangerland und dokumentieren die Anlage betreffende Unterlagen umfangreich. Die „Recherche“ergebnisse gelangten über die US-militärische Abhöreinrichtung im bayerischen Bad Aiblingen an die amerikanische Konkurrenzfirma von Enercon, namens „Kenetech“. Diese meldete die Neuentwicklung Enercons als eigenes Patent an und liess Enercon dann gerichtlich untersagen Produkte in den USA zu vertreiben.
Nochmal: Hier wurden regierungsamtliche Stellen auf amerikanischer Seite genutzt um Wirtschaftsspionage mindestens zu unterstützen. Der Fall machte damals Schlagzeilen und ist mittlerweile Gegenstand zahlreicher Presseberichte, Blogeinträge und gar einer Seminararbeit.
Dem ostfriesischen Unternehmen Enercon ist durch die dreiste regierungsamtlich gestützte Spionage ein mindestens 100 Mio DM hoher Schaden entstanden.
Einen andern Blickwinkel auf die Wege amerikanischer Wirtschaftspionage wirft der Film „Freund hört mit – US-Spionage in Deutschland“, von Egmond R. Koch, aus dem Jahre 2003
Vor diesem Hintergrund verwundert es sehr, dass von den deutschen IHKn – also den Industrie- und Handelskammern wenig bis nichts zur Diskussion um das SWIFT-Abkommen zu lesen ist
SWIFT, die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, ist eine internationale Genossenschaft der Geldinstitute, die ein Telekommunikationsnetz betreibt über das Finanztransaktionen getätigt werden. Anfang des Jahrtausend wurde bekannt, dass amerikanische Terrorismusfahnder diese Auslandüberweisungen von Millionen Europäern ausspähen. Das setzte einiges an Aktivitäten in der Europäischen Politik in Gang und SWIFT baute seine Serverstruktur um. Seit Jahresbeginn werden europäische Daten nur noch in Europa gespeichert, somit wären die Amerikaner eigentlich seit dem 1. Januar 2010 an vom Datenfluss aus Europa abgeschnitten.
Im Sommer 2009 verständigten sich die EU Staaten darauf mit den Amerikanern ein Abkommen auszuhandeln, damit diese weiterhin Zugriff auf die SWIFT Daten der Europäer haben. Die Amerikaner hatten den Europäern vorher „klar gemacht“, dass auch Europa von den Erkenntnissen der aus der Datenüberwachung hätten (Dabei wurden mal wieder Daten zur Terorrismusbekämpfung ins Feld geführt „gibst du mir, so gebe ich Dir“)
Verschiedene Umstände, die auch im Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages am 1.12. 2009 begründet liegen, brachten nun letztlich die Situation hervor, dass das EU-Parlament in den kommenden Tagen über ein SWIFT-Abkommen abstimmen wird.
In der vergangenen Woche zeichnete sich ab, dass eine Zustimmung zu einem Abkommen, dass den Amerikanern weiterhin Zugriff auf die Überweisungsdaten gewährt nicht zustande käme. Sofort übten die Amerikaner Druck auf einzelne EU-Abgeordnete aus. Zum einen droht man mit bilateralen Abkommen. Also die US Regierung möchte mit Belgien und den Niederlanden Einzel-Abkommen schließen. In beiden Ländern stehen die Server von SWIFT in Europa, über die die Transaktionen getätigt werden.
Die Vehemenz mit der die USA Druck auf das EU-Parlament ausübt lässt aufhorchen!Damit ist die Geschichte eigentlich erzählt. Es macht stutzig, dass die Interessenvertretungen der deutschen Wirtschaft, die Handwerks, vor allem aber die Industrie und Handelskammern sich in keinster Weise hierzu öffentlich vernehmen lassen.
Es muss doch ureigenstes Interesse der Vertretung der deutschen Wirtschaftsunternehmen sein, für eine Datensicherheit zu sorgen. Wenn weiterhin unkontrollierbare Instititutionen der Amerikaner Zugriff auf Zahlungen an oder von deutschen Firmen haben, dann können diese daraus auch Rückschlüsse auf die Geschäftstätigkeit der deutschen Firmen ziehen und sich zu Eigen machen – eine besonders üble Variante ist mit dem Fall Enercon zu Beginn dieses Postings beschrieben.
Warum schweigen die IHK´s?
Was steckt dahinter?
Und warum schweigen die Mitglieder der Kammern, die für Ihre Interessensvertretung regelmässig unfreiwillig zur Kasse gebeten werden?
Rolf Hofmann
8 Februar , 2010
Mit nur 7,5% Zustimmung der Unternehmer sind die 80IHKn in der BRD nur Steigbügelhalter unserer Politiker. Diese Zwangsmitgliedschaft mit den Zwangsgebühren ist eine reine Abzockerei um das Geld in den Rachen der Funktionären zu werfen.
Es gibt keine Gegenleistung dafür.
Deshalb fordern wir die Abschaffung dieser ZWANGsKAMMERN, ein Relekt mit Zunftkultur aus dem Mittelalter.
Durch den Lissabon-Vertrag ist dem EuropaParlament ein Mitspracherecht bei solchen Gesetzen möglich geworden.
Über dieses SWIFT-Abkommen werden nun am 10.Febr. die EU-Abgeordneten abstimmen.
Es bleibt zu hoffen, dass sie es zu Fall bringen werden. Die Privatsphäre wäre dadurch massiv unterwandert. Dieser riesige zusätzliche Datenstrom kann auch niemand überwachen. Das alles ist nur ein Vorwand, Lobbyismus wird dabei gemacht, Gefälligkeiten gegenüber den Amerikanern.
Bin Ladin ist schon längst tot.
Ein interessanter SWIFT-Bericht auch im Handelsblatt: http://ow.ly/14PIt
auerochse
8 Februar , 2010
Hallo Rolf Hofmann,
leider funktioniert der Handelsblatt-Link nicht.
Datenmissbrauch und Privatsphäre sind ein Problem. Dazu engagieren sich ja viele Organisationen – etwa auch http://www.vorratsdatenspeicherung.de , neuste Infos zu SWIFT findet sich auch auf netzpolitik.org.
Ich wollte hier aber auf die Vernachlässigung ihrer Aufgaben durch die Kammern hinweisen, das betrifft nicht nur die Privatssphäre. Vielmehr sehe ich die Existenz vieler IHK-Betriebe gefährdet und verstehe das schweigen der Funktionäre nicht. (Klar, bei den Kammern stinkt´s sowieso, Zwangsmitgliedschaft, unfreie Wahlen,….aber das wird ja an anderer Stelle schon diskutiert)
Wer „ein bischen“ tun will wählt bei Überweisungen nicht das SEPA-Formular, sondern die herkömmliche alte Überweisungsvariante.
Zu Deiner Vermutung, den riesigen Datenstrom könne keiner überwachen: Daran habe ich auch mal geglaubt. Dann wurde mir bewusst, wie fix Google arbeitet. Mittlerweile sind spezialisierte Suchmaschinen nach Jahren des stiefmütterlichen Daseins wieder recht fit aufgestellt. Das lässt mich erahnen, was mit Daten möglich ist.
Natürlich gibt es immer mal Fehler im System, was nicht bedeutet, dass das System überhaupt nicht funktioniert…..
Aber warum lässt sich der DIHK nicht vernehmen, und warum macht die deutsche Industrie da einen auf Schweigen?
Naja
Rolf Hofmann
8 Februar , 2010
SWIFT: HANDELSBLATT
►EU-Bankdaten-Deal mit USA wird zum Rohrkrepierer◄
http://bit.ly/9VHTum
Lora Kammer
8 Februar , 2010
Hallo 🙂
super Bericht zu einer weiteren Nachlässigkeit der IHK! Ich habe bei Twitter einen Hinweis auf den Blog-Artikel retweetet.
Kennst Du bei Twitter die FreitagsDemo, wo viele Ihre Meinungen zur IHK veröffentlichen? Wir werden von Woche zu Woche mehr Demonstranten. Was hälst Du von dieser Art der Online-Demo?
Link: http://twitter.com/FreitagsDemo
Rolf Hofmann
9 Februar , 2010
Momentan sieht es mit der Ablehnung dieses SWIFT-Abkommens wieder schlecht aus, ein wahres Lotteriespiel bis zum Donnerstag.
Mit Demokratie hat das weniger zu tun.
>Bericht der Finacial Times Deutschland<
http://bit.ly/bWfiZY
Überall geht ums Geld, um Macht, weit ab vom Interesse des einzelnen EU-Bürgers.
Ein ständiger Katzenjammer!
auerochse
9 Februar , 2010
@Lora: Danke! Twitter? Da habe ich bisher nix mit zu tun. Schau’s mir die Tage mal an. Generell sind Netzaktivitäten aber fein. (Strasse, Parlament und Medien aber auch….).
Noch mal: Danke!
Rolf Hofmann
9 Februar , 2010
Über Twitter (tweets) heute Live dabei, im Eu-Parlament vor der Abstimmung zur neuen EU-Kommission von Baroso. Die EU-Parlamentarier haben in der Aussprache erneut mit Nachdruck Mitsprache gefordert. Sie kritisierten massiv das Vorgehen der vorschnellen Aktivitäten mit dem SWIFT-Abkommen. Ob die Kräfte zur Ablehnung ausreichen ist fraglich, dazu sind die Strömungen die da wirken noch zu neu und undurchsichtig.
Erreicht worden ist aber, dass das Parlament mit einer Zusatzvereinbarung Gesetze vorschlagen kann, die die Kommission zwar ablehnen darf, dies aber innerhalb 3 Monaten begründen muss. Die EU-Bürger haben über das Parlament mit den neuen Lisabonner Vertrag mehr Mitspracherechte.
Dazu kann ein Netzwerk wie das über twitter SEHR hilfreich sein.
Deshalb wollen wir mit vielen Stimmen unter den „tags“ #FreitagsDemo und #IHK uns mehr Gehör verschaffen, als es uns bisher mit wenig finanziellen Ressourcen möglich war.
50% des Bruttosozialproduktes (BIP) in der EU erbringen 2/3 Gewerbetreibende, dabei kleinere Betriebe eingeschlossen. Sie fühlen sich seit Jahren von der IHK „verschaukelt“.
Das ist der Bevölkerung bisher völlig unbekannt. Deshalb fordern wir die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft und der damit verbundenen Zwangsbeiträge.
Rolf Hofmann
11 Februar , 2010
Senkt das Europaparlament bei SWIFT den Daumen? ♫
http://www.tagesschau.de/ausland/swift144.html
HOFFENTLICH
EU-Kommissarin Malmström hält das Übergangsabkommen mit den USA für ausreichend.
Rolf Hofmann
11 Februar , 2010
Europarl_DE
#Europarparlament lehnt das #SWIFT-Abkommen über Bankdatenabgabe an USA ab
auerochse
11 Februar , 2010
Ja suuupi!
Nun, es bleibt Arbeit, denn es wird ja weiterverhandelt – soll auch noch im Februar damit losgehen. Aber immerhin haben sich genügend Leute gefunden um mal zu rufen: „STOPP“.